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 sind in die Wohnungen und haben alles zerschlagen und
die Männer mitgenommen. Und dann sind wir zu meiner Mutter gekommen, die bei Verwandten in Nürnberg war, und haben erzählt, was wir gesehen haben. Danach läutete es, wir haben natürlich kein Licht gemacht und als wir raussahen, haben wir gesehen, dass man Visasvis auch rein geht und alles zer- schlägt. Wir haben gewartet, dass man zu uns kommt. Aber durch Zufall ist niemand ge- kommen.“
Als 15-jähriges Mädchen wurde sie von ihrem Vater als einzige ihrer Familie zu einer Jugend- Alia (jüdische Bürger siedeln nach Israel) gebracht. Außer ihr ist noch etwas früher im selben Jahr ihre Cousine nach Israel aus- gewandert (1939).
1937 oder 1938, aufgenommen im Garten der Familie Jochsberger  Ilse Jochsberger, Tante Sofie – Mutter von Hilde-Zippora, Gregor Nefischer, Hugo (unbekannt), unbekannt, unbekannt, Otto Jochsberger (Bruder von Frau Unger), Henry Kissinger (Sterns Hainerla)
Als Jugendliche brachte sie ihr Vater im Juni 1939 nach München zum Zug, dessen Ziel Triest war. Für die Mutter war der Abschied zu schwer, deshalb ist der Vater mit Ilse alleine gereist. Von dort aus ging es mit dem Schiff nach Haifa, das zu dieser Zeit noch britisches Mandatsgebiet war. Ihre erste Stati- on war der Kibbuz Givat Brenner (zwischen Tel Aviv und Jerusalem), in dem sie mit anderen deutschen Jüdinnen untergebracht war. Hebräisch lernen war zunächst nicht angesagt, da sie als Teenager lieber ihre Muttersprache mit ihren Freundinnen pflegte. Dieser Anfang alleine getrennt von ihrer Familie war für sie sehr schwer. Sie berichtete: „Nach zwei Jahren sind meine Freundin und ich in einen ande- ren Kibbuz gegangen, den man ganz neu aufgebaut hat. Das war sehr schwer, nichts zu essen, kein Wasser; Wasser musste nämlich in Containern an- gefahren werden. Wir haben selbst Brot gebacken, das war sehr schlecht. Wir waren alle sehr jung.“ Als Beispiel dafür, wie ärmlich es war, erzählt sie, dass es für jeden nur ein halbes Ei bei einer Mahl- zeit gab.
Im Kibbuz hat Frau Unger ihren Mann kennen ge- lernt. Er war ursprünglich aus Berlin. Mit ihm ge- meinsam hat sie dann den Kibbuz verlassen und
war glücklich verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Frau Unger hat fünf Enkel und acht Urenkel. Sie selbst lebt in Herzelia nördlich von Tel Aviv. Töchter, Enkel und Urenkel leben alle in der nä-
Leutershausen
heren Umgebung. Sie selbst ist seit 2014 verwitwet.
Die letzte Nachricht von ihren Eltern hat Ilse Unger in Israel erhalten, geschrieben am 14. März 1941 und durch das Rote Kreuz versendet. Die Nachrich- ten waren auf 25 Worte beschränkt: Hoffe Dich gesund, wir gesund. Nachricht vom Roten Kreuz erhalten. Erneute Aussicht für Auswanderung. Otto kommt Lehrwerkstätte. Irene gesund. Bleibe ge- sund. Küsse Eltern, Otto
Auf die Frage, ob in Leutershausen alle Nazis waren, erzählt Frau Unger folgende Geschichte: „Mein Va- ter war sehr gut mit Loos. Der Loos ist irgendwann gekommen und hat gesagt: ‚Ignaz helf mir mal‘
- der Loos war doch ein Schmied - ‚drauf klopfen‘. Mein Vater hat ihm immer geholfen“. Sie lacht.
 Die Uhr der Mutter erhielt Frau Unger nach dem Krieg zurück.
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