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Erntedank
Erntedank – dieses Jahr kein leichtes Thema, wenn ich daran denke, wie die Ernte unter der Trockenheit gelitten hat.
Trotzdem feiern wir Erntedank – aus gutem Grund. Das Erntedankfest stellt sich jedes Jahr wieder neu gegen die Einstellung, dass die Regale in den Supermärkten ganz selbstverständlich immer voll sind. Es stellt sich gegen die Ansicht, dass wir aus der Natur immer mehr herausholen müs- sen. Es stellt sich gegen die Ansprüche und Erwartungen der Verbraucher und der Wirtschaft, die die Landwirte unter Druck setzen. Wir Menschen können mit unseren Maschinen viel erreichen und leisten, doch alles kön- nen wir eben nicht: wir können keinen Regen herbeizaubern. Dieses Jahr spüren wir das besonders deutlich – dabei geht es uns hier im Süden von Deutschland noch verhältnismäßig gut.
„Der Bauer wartet geduldig auf die kostbare Frucht der Erde, er war- tet geduldig, bis im Herbst und im Früh- jahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein“ (Jak 5, 7-8).
Wie wichtig der Regen ist, das ist mir besonders deutlich geworden, als ich
letztes Jahr wieder in Portugal war: von oben habe ich genau gesehen, wo
die Bauern ihre Felder bewässern. Einige runde, grüne Flächen stechen aus
dem sonst dürren Land hervor. Dort dreht sich eine Anlage zum Bewässern
im Kreis und versprüht auch in der Mittagshitze Wasser auf die Pflanzen.
Alles um diese Flächen herum ist dürr und braun. Sonst wurden in Portu-
gal meistens Früchte angebaut, die für den Trockenanbau geeignet sind,
zum Beispiel Kichererbsen. Doch das reicht nicht mehr. Die Menschen
bauen jetzt Mais an – den können sie wenigstens verkaufen. Problem:
Mais bringt zwar mehr Geld, braucht aber auch mehr Wasser. Wasser, das
in Portugal, und in diesem Jahr auch bei uns in Deutschland knapper wird.
Wasser, das wir aber für Felder und Wiesen, für die Tiere und für unser Überleben brauchen.
Wasser und Regen sind nicht selbstverständlich: sie sind ein kostbares Geschenk von Gott, das wir nicht produzieren können. Nur mit diesem Geschenk kann die Ernte gut gelingen. Das Erntedankfest, besonders in Jahren wie heuer, macht uns das wieder bewusst. Es ruft uns alle dazu auf, einmal stehen zu bleiben und auf das zu schauen, was Gott uns schenkt. Es ruft uns dazu auf, die Grenzen der Natur anzuerkennen, anstatt selbstverständlich immer mehr zu wollen.
Solange dies Umdenken noch nicht eingesetzt hat, können wir nur – trotz der Einbußen – dankbar auf das schauen, was uns Gott schenkt und ihn weiter vertrauensvoll und geduldig um milden Regen bitten!
Bild: Richard Wagner
Leutershausen
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Ihre Pfarrerin Teresa Sichermann