Page 2 - GA 123 Dezember 2019 - Februar 2020
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Leutershausen + Jochsberg
Liebe Gemeinde,
nun also kommt er tatsächlich: Der Ruhestand.
Woran denke ich zuerst, wenn ich also Adé sagen soll? Woran denke ich nach knapp sieben Jahren in Leutershausen und Jochsberg und fast 38 Jahren als Gemeindepfarrer im Allgäu, im fernen Chile, am Rand und dann im Zentrum der Landeshauptstadt München, im Mittelfränkischen auf dem Land?
Ich bin zunächst einmal selbst überrascht von der Antwort:
Denn tatsächlich sehe ich beim Nachdenken über die vergangenen Jahre zuallererst die vielen Menschen vor mir, die ich in all diesen Zeiten beerdigen musste. Darunter gibt es so manche, denen ich zuvor bei Geburtstagsbesuchen, im Seniorenkreis, in Gottesdiensten, im Kreis der Ehrenamtlichen, bei kurzen Plaudereien auf der Straße oder am Gartenzaun begegnet war, quicklebendig die einen, gesundheitlich angeschlagen die anderen, manche auch schon recht gebrechlich, pflegedürftig oder gar bettlägerig, andere mitunter aber noch sehr jung bis ins frühe Kindesalter hin. Einer nach dem anderen waren diese Menschen aus diesem Leben geschieden. Zurück blieben oft genug weinende und lange trauernde Angehörige und Freunde. Ihre vergossenen Tränen haben mich immer sehr berührt und zugleich stets daran erinnert, dass es eine hochehrenvolle und ganz besondere Berufung bedeutet, Menschen gerade in solchen schweren Zeiten ein Stück ihres Weges geistlich begleiten und ihre Verstorbenen in einer würdigen Fei
er Gott anvertrauen zu dürfen.
Aber auch der Anfang des Lebens steht mir vor Augen: die vielen kleinen Kinder, die ich taufen durfte. Ich sehe ihre zarten Gesichter, die Stupsnasen und die ach so kleinen Finger, Tränen der Rührung in den Augen von Eltern, Großeltern und Paten und dankbares Lachen und frohes Jubeln für das geschenkte Glück.
Dazwischen, zwischen Anfang und Ende, zwischen Taufe und Bestattung: das Leben, der Alltag, tausend Herausforderungen, schwere und wundervolle Erfahrungen, Auf und Ab, Scheitern und Erfolg, Zweifel und Vertrauen. Die Jahreslosung 2020 drückt gut aus, wie es Menschen mit diesem Hin und Her und Auf und Ab oft geht: »Ich glaube, hilf meinem Un glauben.« Die Zeit in Leutershausen und Jochsberg habe ich immer wieder so erlebt, dass Menschen auf beeindruckend klare Weise sagen konnten und können: »Ja, ich glaube!«, und es manchem dann trotzdem geschehen konnte, dass der scheinbar so feste Glaube plötzlich doch ins Wanken oder
Schlingern geriet, wenn unerwartet Belastungen, Misserfolge, zerbrechende Beziehungen und manch andere Angst, Sorge oder Not eintrafen; aber ebenso auch andersherum: dass Menschen in Not und Verzweiflung und tief bedrückt durch enttäuschte Hoffnung völlig unerwartet Hilfe erfuhren, Heilung, Rettung, Neu anfang, Trost, Bewahrung. »Ohne meinen Glauben hätte ich das alles nicht durchgestanden«, sagte mir jemand vor nicht langer Zeit. »Ein Wunder«, so sagte ein anderer, von Herzen dankbar und in fassungs losem Staunen.
1975, als frisch gebackener Student der Theologie und also ganz am Anfang meiner beginnenden Lebenslaufbahn, ist mir beim Bibelstudium neben manchen Sprüchen besonders auch dieser aufgefallen – die Jahreslosung für das Jahr 2020: »Ich glaube, hilf meinem Unglauben.« Ich schrieb mir solche Sprüche damals auf kleine Zettel und klebte sie an den Kleiderschrank neben dem Schreibtisch, und so auch eben diesen: »Ich glaube, hilf meinem Unglauben.« Der hing da ziemlich