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Schon bricht des Tages Glanz hervor Die Morgenlieder im evangelischen Gesangbuch
 Für gut drei Wochen reicht der Vorrat – drei Wochen lang täg- lich ein anderes Morgenlied, um so lesend, betend oder singend den Tag zu beginnen.
Oder vielleicht täglich eine Stro- phe? Dann reicht es für gut vier Monate, genau: für 142 Tage.
Die älteren Worte und Melodien dieser Lieder gehen bis ins 9. Jahrhundert zurück, während die neuesten vor erst wenigen Jahrzehnten entstanden sind. Durch all diese Zeiten hindurch begegnen wir be- merkenswerten, zum Teil weit bekannt gewordenen Persönlichkeiten, Dichtern, Theologen, Pfarrern, Komponisten, Kir- chenmusikern. Sie alle beschenken uns mit einem geistlichen Erfahrungsschatz, der vom Mittelalter bis in die Gegenwart reicht.
Manche der Autoren griffen auf bereits bestehende, ältere Texte zurück, zum Beispiel auf frühe lateinische Worte, oder auch auf englische, französische und andere fremdsprachige Textüberlieferungen, die sie ins Deutsche übertrugen und zum Teil erweiterten. Den geistlichen Reimen wurden entweder bereits bestehende Melodien zugeordnet, oder sie wurden mit ganz neuen Melodien versehen.
Wer mit diesen Liedern den neuen Tag be- grüßt, trifft auf gut gelaunte, optimistische Texte.
So überbordend und fröhlich diese Lieder auftreten, so sehr sind sie dennoch keine simplen Juhu- und Hurra- Gesänge. Vielmehr sind sie auch durchzogen von einem klaren Wissen um Zweifel, Schuld, Sünde, Not und Tod. Schon zum Beginn des Tages lenken sie daher den Blick auf unsere Schutzbedürftigkeit und bitten: »Laß deine lieben Engelein unsre Hüter und Wächter sein!«, »Herr Christ, den Tag uns auch behüt vor Sünd und Schand durch deine Güt«, »Behüt uns, Herr, vor Ärgernis, vor Blindheit und vor aller Schand«, »Du wollest auch be- hüten mich gnädig diesen Tag«, »Sei und bleibe du auch heute mein Beschützer und mein Hort«, »Mich segne, mich behüte«, »Gib, dass wir heute, Herr, durch dein Geleite auf unsern Wegen unverhindert gehen«, »regiere mich, lenke und führe, wie dir’s gefället«, »Voll Demut fleht zu Gott empor dass, was auch diesen Tag geschieht,
Leutershausen
vor allem Unheil er behüt«, »Mein Seel, Leib, Ehr und Gut bewahr, dass mir kein Böses widerfahr«, »Dein heiliger Engel zu allen Zeiten, der sei und bleib bei mir auf allen Seiten«, »mein Amt, Gut, Ehr, Freund, Leib und Seel in deinen Schutz ich dir befehl«.
Doch nicht allein für uns selbst, sondern auch für unseren Nächsten bitten wir in den Morgenliedern.
Eines unter ihnen gedenkt derer, die »betrübt, krank und gefangen« sind: »die wollest du in ihren Ängsten trösten und endlich sie aus aller Not erlösen«. Ein anderes Lied betet: »Mein’ Leib und meine Seele, Gemahl, Gut, Ehr und Kind in deine Händ ich befehle und die mir nahe sind«, oder: »dass ich, dem Nächsten beizustehn, nie Fleiß und Arbeit scheue«.
Zugleich richtet sich der Blick vieler Lieder über den neu beginnenden Tag hinaus auf den kommenden Himmel und den »Jüngsten« Tag.
Hier sind die Choräle erneut erfüllt von überschwäng- licher Hoffnung und bitten, dass wir »von nun an bis in Ewigkeit« »im Glauben stehen bis ans End und bleiben von dir ungetrennt«, um so einst mit Gottes Hilfe »gen Himmel zu reisen«, unterwegs »zur heilgen Stadt, die we- der Nacht noch Tage hat«. Zum Anbruch dieses Jüngsten Tages werden »alle Engel« ein Morgenlied anstimmen, das »ewig, ewig« anhält und vereint »singen: »Lobet den Her-
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