Predigt von Pfarrer i.R. Friedrich Walther zur Eröffnung der Ausstellung

Pfingsten 2012 Matthäus 16, 15-19

Liebe Gemeinde, in der Regel haben wir zum Gotteshaus unserer eigenen Gemeinde eine besondere Beziehung. Wir haben unseren Platz - im Kirchenschiff oder auf der Empore. Wir lieben das sommerliche Morgenlicht, das durch die Chorfenster flutet. Oder wir schätzen die geheimnisvolle Atmosphäre, die den Kirchenraum während der Wintermonate erfüllt. Wir kennen den Klang der Orgel oder wir fühlen im Gemeindegesang geborgen. Das ist sicher für die Gemeinde hier in Leutershausen ähnlich.

Unsere Malgruppe hat sich freilich auf einem anderen Weg einen Zugang zu diesem Gotteshaus verschafft. Wir haben nicht auf den Kirchenraum, sondern auf den Kirchenpatron, also auf Petrus geblickt. Unter der Anleitung unseres Mallehrer Ekkehard Hofmann haben wir uns mit diesem Jünger Jesu befasst.

 

Das Boot und das Netz

Petrus war Fischer. Darum sind auch zunächst so viele Bilder mit Netzen und Booten entstanden. Ein Netz und ein Boot - das bedeutete für Petrus nicht nur seine Lebensgrundlage, sondern auch einen Grund zum Danken. Petrus gehörte ja zum Volk Israel und in diesem Volk galt: das tägliche Brot und der tägliche Fisch und das Leben überhaupt sind ein Gottesgeschenk. Darum sang man in Israel im Gottesdienst: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.

Mit dem Glauben Israels war dem Petrus noch ein anderes großes Geschenk gegeben, nämlich die innere Lebensgewissheit. Viele von uns plagen sich ja in unseren Tagen mit den schweren Fragen: Gibt es überhaupt einen Gott? Oder bin ich nur ein Produkt des Zufalls? Oder ganz konkret: Sitze ich jetzt auf einer Holzbank und fliege durchs Weltall und weiß nicht woher und wohin und wozu? Solche Fragen bestimmten den Petrus nicht - er war, wie jedes Glied im alten Gottesvolk Israel, getragen von der festen Überzeugung: Wir kommen aus Gottes Hand. Und diese ganze Welt ist gehalten von Gottes Liebe. Und der uns geschaffen hat, redet mit uns durch sein Wort. Dieser Gott redet mit uns seit langer Zeit durch die Propheten und wir können ihm antworten in unseren Psalmgebeten. Als Jesus zu Petrus sagte: Folge mir nach, da war ihm klar: In diesem Jesus steht ein neuer Bote Gottes vor mir. Darum verließ sein Boot und sein Netz und wurde ein Schüler Jesu.

 

Der Hahn und der Schlüssel

Auch der Hahn und der Schlüssel gehören zu Petrus. Der Hahn ist das bekannteste Zeichen, das uns auf Petrus hinweist. Seit etwa 1000 Jahren haben die Wetterfahnen auf unseren Kirchtürmen diese Form. Auch auf dieser Leutershäuser Peterskirche ist ja ein Wetterhahn zu sehen. Der Wetterhahn dreht sich mit dem Wind und er warnt uns: Gib Acht, dass es dir nicht geht wie dem Petrus. Der hat sich nämlich verdrehen lassen und seinen Herrn verleugnet,, als der Wind umschlug.

Wie kam es zu dieser dunkelsten Stunde im Leben des Petrus? Petrus hatte ja alle Wunder miterlebt, die Jesus getan hat. Er hat jede Predigt seines Herrn gehört. Immer klarer wurde ihm dabei, dass Jesus das größte Amt innehat, das Gott auf dieser Welt vergibt. Das ist das Christusamt. Wer das Christusamt innehat, der wird die zwei großen Probleme in dieser Welt lösen: die Machtfrage und die Schuldfrage. Die Machtfrage, das heißt, er wird sichtbar machen, wer eigentlich der Herr im Himmel und auf Erden ist. Denn das ist ja vor unseren Augen noch verborgen. Und er soll die Schuldfrage lösen, das heißt: Er soll von uns nehmen, was wir einander und was wir Gott schuldig bleiben und was wir nie mehr gutmachen können. In unserem Bibelwort sagt Petrus als erster ausdrücklich zu Jesus: Du bist dieser Christus. Du hast dieses Amt, Schuld zu vergeben und du wirst auch Gottes Macht zeigen.

Petrus wusste freilich nicht, dass Jesus nicht beide Aufgaben gleichzeitig löste. Die Schuldfrage löste Jesus durch seinen Gang ans Kreuz. In seinem Sterben wurde Jesus unser Erlöser. Die Machtfrage aber wird er bei seiner Wiederkunft am Ende der Zeit beantworten. Bis dahin kann sich Gott auch in Ohnmacht verbergen. Darum sind alle Jünger völlig irritiert, als Jesus festgenommen wird. Auf einmal steht der Christus machtlos vor seinen Richtern. Petrus gelingt es, in diesen Gerichtssaal vorzudringen. Plötzlich fragt jemand den fassungslosen Petrus: Du bist doch auch einer von seinen Anhängern. Da entgegnet Petrus: Ich kenne diesen Jesus überhaupt nicht. Als er das gesagt hatte, hörte er im Morgengrauen einen Hahn krähen. Da ging er hinaus und weinte bitterlich.

Der Hahn auf dem Kirchturm will uns an die Möglichkeit des Verleugnens erinnern, vor der keiner sicher ist. Nach der Speisung der 5000 hätte Petrus niemals gesagt: diesen Jesus kenne ich nicht. Damals war er stolz: Zu dieser Gruppe um Jesus gehöre ich dazu. Aber als Jesus vor seinen Anklägern stand, da verbarg er seine Macht. Und das ist das Schwerste, nicht nur für den Petrus. Auch für uns. Wenn Gott seine Macht verbirgt, dann trifft uns das ganz tief. Wie viele Menschen haben schon gesagt: Damals, als mein Kind so krank war, habe ich zu Gott gerufen. Und er hat nicht geholfen. Jetzt will ich ihn nicht mehr kennen. Petrus und der Hahn – wer kennt diese Anfechtung nicht?

Petrus war nach seiner Verleugnung in einer schrecklichen Dunkelheit gefangen. Er hatte sich von seinem Herrn losgesagt. Der frühere Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hammerskjöld, sagt einmal von solchen Situationen: Gott stirbt nicht an dem Tage, an dem wir uns von ihm lossagen. Aber wir stürzen in eine Finsternis, von der wir vorher keine Ahnung hatten.

Petrus musste nicht in dieser selbst gewählten Finsternis bleiben. Jesus ist ja nach Ostern wieder auf Petrus zugegangen. Jesus hat damals den Petrus spüren lassen, dass er das Christusamt wirklich innehat und das heißt: dass er von Schuld lösen kann. Er hat dem Petrus auf eine liebevolle Weise verziehen. Jesus hat dem Petrus wieder die Tür in seine Gemeinschaft, er hat ihm die Tür zum Himmel wieder aufgeschlossen.

Ein Schlüssel ist dazu da, aufzuschließen, wenn eine Tür ins Schloss gefallen ist. Jesus hat diesen Vergebungsschlüssel dem Petrus ausdrücklich anvertraut: Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben. Aber bevor Petrus diesen Schlüssel einsetzen konnte, hat Jesus ihn selber in die Hand genommen und dem Petrus die Tür aufgeschlossen, die zugefallen war.

Der Schlüssel in der Hand des Petrus erinnert an Jesu Vergeben. Wo immer das Evangelium verkündigt wird, da gehen Türen auf, da finden Menschen ins Licht Gottes, da wird es wieder hell für sie wie beim verlorenen Sohn.

Aber bei diesem Schlüssel geht es nicht nur um die Tür zu Gott. Auch zwischen uns fallen ja immer wieder Türen ins Schloss. Jesus mahnt uns: Setzt auch ihr immer wieder diesen Vergebungsschlüssel ein, wo Türen zwischen euch zugefallen sind. Vergebt einander. Vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern - so lehrt uns Jesus im Vaterunser beten.

 

Der Fels, auf dem die Kirche steht

Spannend ging es auch zu, als wir uns diese Peterskirche als Motiv vornahmen. Spannend deshalb, weil dabei die Dynamik einer Malgruppe sichtbar wurde. In einer Malgruppe wird ja nicht viel geredet. Es wird nicht viel geredet, aber es wird sehr viel geschaut. Man schaut, wie die andern das Motiv darstellen. Irgendeiner fing an, einen Felsen zu malen. Andere entfalteten dieses Motiv weiter: die Leutershäuser Peterskirche nicht auf den Kirchplatz zu stellen, sondern auf einem Felsen. Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. So hatte Jesus ja zu dem Jünger Petrus gesagt.

Aber ist Petrus ein Fels? Ist er nicht kleingläubig, schwach und furchtsam? Er ist ein Fels, weil er als erster in dieser Welt bekennt: Du bist der Christus. Du hast von Gott dieses einzigartige Christusamt empfangen. Nicht der starke Charakter des Petrus trägt die Kirche. Sondern der bekennende Petrus, der Petrus, der sich zu Jesus Christus hält.

An Pfingsten hat Petrus dieses Bekenntnis noch einmal wiederholt. Diesmal vor einer großen Menschenmenge. Dabei hat Petrus selber entdeckt, was Jesus mit dem Felsen meint. Tausende haben damals nach der Predigt des Petrus gesagt: Wir wollen zu diesem Jesus Christus gehören, den du uns verkündigt hast. Sie suchten nicht den Petrus als den Führer für ihr Leben, sondern sie suchten Jesus Christus und ließen sich durch die Taufe mit ihm verbinden. Von dieser – an Christus gebundenen Kirche gilt - die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwinden werden. Oder anders ausgedrückt: diese Kirche wird nicht sterben. Kirchenformen und Kirchengebäude werden sich ändern. Das spüren wir auch in unseren Tagen. Aber es wird durch die Zeiten hindurch eine Gemeinde geben, die vom Wort Gottes zu Jesus Christus hingezogen wird und sich auf ihn gründet.

 

Der Tod, den Petrus starb

Wir finden im Neuen Testament viele Berichte über das Wirken des Petrus. Das wird auch hier in manchen Bildern sichtbar. Aber über das Lebensende dieses Apostels haben wir nur spärliche Erzählungen. In seinem Brief kreisen die Gedanken des Petrus ganz stark um ein Thema: Ihn beschäftigt das Leiden um Christi willen. In dieses Leiden wurden damals viele Gemeinden hineingezogen. In dieser Verfolgungszeit um 64 unter Kaiser Nero wurde Paulus zum Märtyrer. Es gibt einen späten Bericht, wonach Petrus dieser Verfolgung entkommen konnte. Der Bericht erzählt, Petrus sei aus Rom geflohen. Auf diesem Weg sei ihm aber Jesus begegnet und Petrus habe erstaunt gefragt: Wo gehst du hin, Herr, - quo vadis domine? Darauf habe Jesus gesagt: Ich gehe nach Rom, um mich noch einmal kreuzigen zu lassen. Diese Begegnung sei der Anlass für Petrus gewesen, umzukehren und wieder in die Stadt hineinzugehen. Als man ihn kreuzigte, soll Petrus gesagt haben: "Ich bin nicht würdig, auf die gleiche Weise zu sterben wie mein Herr. Dreht mein Kreuz um." So kommt es, dass einige von uns auch den Tod des Petrus gemalt haben: Am Kreuz mit dem Kopf nach unten.

 

Petrus und wir

Viele der Szenen aus dem Leben des Petrus und die dazu gehörigen Symbole sind ja auch ganz persönliche Fragen an uns:

Wie sehe ich mein Boot, mein Netz? Was habe ich in all den Jahren meines Lebens gefangen, was will ich noch fangen?

Oder der Schlüssel: Wie habe ich den Vergebungsschlüssel in meinen Leben schon erfahren? Wie gebrauche ich ihn anderen gegenüber?

Oder die Bilder mit dem Hahn sehe: Wie steht es mit dem Bekennen und Verleugnen in meinem Leben?

Oder die Leutershäuser Peterskirche - eine Kirche auf dem Fels: Sind wir wirklich so fest im Glauben gegründet wie Jesus das gemeint hat?

 

Und noch eins sagen uns diese Petrusbilder: Der auferstandene Christus kann auch aus einer Lebensgeschichte mit Brüchen und Versagen etwas zu seiner Ehre machen. Er kann vergeben und uns einen Neuanfang schenken. Dafür ist Petrus ein Musterbeispiel. Amen.

 

Friedrich Walther

Rampenstr. 36

91564 Neuendettelsau